Weißes Rauschen

Der Sprachgebrauch kennt zwei Situationen, in denen der Begriff weißes Rauschen verkommt. In der ersten wird der Begriff in seinem technischen Sinne gebraucht, in der zweiten in einem mehr idealen, philosophischen Sinn.

In der technischen Definition wird als weißes Rauschen ein Klang beschrieben, der alle Frequenzen des Spektrums mit gleicher Amplitude enthält. Genauer müßte es aber heißen: Weißes Rauschen ist ein Klang, der eine große Anzahl von Frequenzen mit gleicher Amplitude logarithmisch gleichverteilt auf dem gesamten Spektrum enthält. Wo liegt der Unterschied? Die erste Begriffsbildung enthält das Wort alle. Dieses Wort suggeriert, daß wirklich jede Frequenz zwischen Null und Unendlich im Spektrum vorkommt, die Anzahl der Frequenzen also die Mächtigkeit des Kontinuums hat, also unendlich ist.

Zwei Gründe sprechen dagegen:

1. Eine mathematische Plausibilitätserklärung: Mittels der harmonischen Synthese läßt sich jede Schwingung als Summe von Sinus- und Cosinusschwingungen erzeugen. Nimmt man eine einzelne Schwingung einer einzelnen Frequenz aus dem Spektrum heraus, so könnte sie auch durch Addition anderer Schwingungen erzeugt werden. Ebenso kann die inverse Schwingung, die die ursprüngliche Schwingung auslöschen würde, erzeugt werden. Da alle erzeugenden Schwingungen für die inverse Schwingung im Spektrum enthalten sind, ist zu jeder Schwingung auch ihre inverse Schwingung enthalten. Die Schwingungen löschen sich also gegenseitig aus. Es herrscht Stille. Das ist ein Widerspruch dazu, daß überhaupt eine Schwingung vorhanden ist.

2. Schwingungen werden von Teilchen erzeugt. Die Anzahl der Teilchen im Universum ist nach gängiger physikalischer Auffassung sehr groß, aber endlich. Daher kann die Anzahl der erzeugten Schwingungen ebenso nur endlich sein.

Die mehr philosophische Bedeutung erschließt sich aus der Opposition zur Stille. Die beiden Begriffe Stille und weißes Rauschen sind die akustische Analogie der Begriffe Nichts und Alles.

Weißes Rauschen wird zuweilen als Signal mit maximalen Informationsgehalt betrachtet. Es werden die Eigenschaften des Akustischen und des Alles subsummiert. Mit einer Schallwelle können Daten übertragen werden. Das Übertragen von mehr Daten in der selben Zeit erfordert ein komplexeres Signal. Einer Zunahme der Komplexität eines Schallereignisses entspricht die Zunahme der vorhandenen Frequenzen zu einem Zeitpunkt. Hier ist das weiße Rauschen die Analogie für ein Alles an Information.

mrw, 22.01.2001