Radio - die Amputation des hörenden Willens

In der allgemeinen Zerstreuungsmaschinerie der elektrifizierten Medien übernimmt das Radio das Gehör. Das Ohr hört nicht mehr, es gehört. Das Radio produziert den Hörer, den es im gleichen Augenblick konsumiert.

Das Radio ist die Prothese des Gehörs.

Das System Radio - Hörer wird mit dem gleichen Schalter ein- und ausgeschaltet. Wechselt der Hörer das Programm, wechselt das Radio das Programm. Das Radio empfängt das gleiche Signal in Form von elektromagnetischen Wellen, welches der Hörer in Form von Schallwellen empfängt.

Wird das System eingeschaltet, so gibt der Hörer die Autonomie seines Gehörs auf. Er gibt die Entscheidungskompetenz und die Veranwortung für die Struktur des Gehörten an das Radio ab. Das Radio ist das vergegenständlichte Symbol für den Willen der Sendenden. Der Hörer wird willenlos gegenüber dem Gehörten.

Die Willenlosigkeit führt nicht zu einem Mangel an Urteilsfähigkeit. Der Hörer wertet das Gehörte und ordnet es ein. Aber er kann es nicht an die Fähigkeiten seines Wertens und Einordnens anpassen.

mrw, 26.01.2001