Die Hauptsache jener alten Erkenntnis, die Unwirklichkeit der Zeit, sei bisher von der Technik noch nicht bemerkt worden, schließlich werde aber natürlich auch sie "entdeckt" werden und den geschäftigen Ingenieuren in die Finger geraten. Man werde, vielleicht schon sehr bald, entdecken, daß nicht nur gegenwärtige, augenblickliche Bilder und Geschehnisse uns beständig umfluten, so, wie die Musik aus Paris und Berlin jetzt in Frankfurt oder Zürich hörbar gemacht wird, sondern daß alles je Geschehene ganz ebenso registriert und vorhanden sei und daß wir eines Tages, mit oder ohne Draht, mit oder ohne störende Nebengeräusche, den König Salomo und den Walther von der Vogelweide werden sprechen hören. Und daß dies alles, ebenso wie heute die Anfänge des Radios, den Menschen nur dazu dienen werde, von sich und ihrem Ziele weg zu fliehen und sich mit einem immer dichteren Netz von Zerstreuung und nutzlosem Beschäftigtsein zu umgeben.

aus Hermann Hesse, Der Steppenwolf, 1927

mrw, 26.01.2001