Wissen geben

Wir bilden eine zerbrechliche Minderheit. Wir lernen beständig. Unsere sexuelle Identität ist ein Abstraktum, dass wir selbst bestimmen. Bewusst ist uns, wie klein und unbedeutend wir im Geschehen dieser Welt existieren. Aber doch: Das Wissen der Welt ist in uns gespeichert. Die Wissenschaften, die Technik, die Historie, die Sprache sind unser Gegenstand und unserer Zweck. All dieses Wissen existiert durch uns und in uns. Doch wird diese Einsicht in die Mechanik der Welt nichts nützen gegen die unbewusste Roheit der menschlichen Natur. Nichts werden wir verrichten können, wenn der halbgebildete, sich selbst überlassene Geist durch Gewalt einen Willen verschafft. Keine Kraft können wir entgegensetzen aus unserer körperlichen Schwäche. Unsere geballte physische Kraft wird nicht einem Angriff eines einzelnen Ungebildeten standhalten. Lange können wir uns nicht mehr mit Argumenten gegen ihn wehren. Und unsere Schutzburgen, die Großstädte mit ihren Verstecken, ihren Verführungen, ihren Ablenkungen schrumpfen immer mehr unter dem Druck der geistigen Armut. Stereotype benutzen den Wohnraum zwischen uns und bilden so eine allseits bereite Waffe im Dienste des überzeugenderen Arguments. Wie lange werden wir die Argumente noch auf unserer Seite wissen? Sie entgleiten uns bereits, so wie sie uns 1933 entglitten sind. Wenn wir unsere gesammelte Vernunft nicht beständig vermitteln, wird sich die Unvernunft gegen uns wenden. Wir verabscheuen den Einfluss auf die Entwicklung eines Individuums. Physische Gewalt gehört nicht zu unseren Mitteln, auch nicht mit Hilfe der Technik. Abstumpfung des ungeschliffenen Geistes vermittelt das kontrollierte Lenken von Menschenmassen. Doch ist diese Kontrolle stets dem Egoismus einzelner unterworfen. Wir können nicht garantieren, dass wir immer diese Einzelnen sind. Deswegen kann Kontrolle nicht unser Mittel zur Selbsterhaltung sein. Unser Werkzeug ist die Aufklärung, die Weitergabe unseres Wissens. Und nur so können wir uns vermehren. Denn jeder, der unser Wissen in sich aufgenommen hat, gehört zu uns.

mrw, 09.01.2006